Protestbündnis in Sachsen will Versammlungsgesetz blockieren

Gesetzesnovelle könnte im Juni beschlossen werden. Linksabgeordnete: Versammlungen werden erschwert oder vereitelt

Es könnte eine der letzten Amtshandlungen der aktuellen sächsischen Koalition werden: eine Novelle des Versammlungsgesetzes. Das Vorhaben von CDU, Grünen und SPD könnte auf einer der zwei verbleibenden Plenarsitzungen vor der Landtagswahl am 1. September beschlossen werden. Ein Bündnis »Versammlungsfreiheit verteidigen« will das verhindern und lud anlässlich einer Expertenanhörung an diesem Donnerstag zur Protestversammlung vor das Parlament. Das Gesetz stärke die Versammlungsfreiheit nicht, sondern »macht es den Behörden noch leichter, unliebsame Versammlungen zu gängeln«, sagte Paul Senf von der Linksjugend Dresden, die neben Jugendgruppen anderer Parteien, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen sowie antifaschistischen Initiativen den Widerstand organisiert.

Das Regierungsbündnis hatte bei Amtsantritt 2019 versprochen, man wolle dem »verbürgten Recht auf politische Teilhabe größtmögliche Wirksamkeit verleihen«. Ob der 2023 vorgelegte Gesetzentwurf dazu beiträgt, ist umstritten. Valentin Lippmann, Innenexperte der Grünen, spricht von einem »liberalen« Gesetz, mit dem »mehr Entbändigung und mehr Freiheit« gewagt werde. Innenminister Armin Schuster (CDU) versprach neben einem besseren Schutz von Journalisten eine »Stärkung des Kooperationsgedankens«. Die Linke-Abgeordnete Jule Nagel erkennt einige positive Regelungen, fürchtet aber, dass die Novelle in Gänze »am Ende nicht zu mehr, sondern zu weniger Versammlungsfreiheit führt«.

Regelungen, die auf Bedenken stoßen, betreffen beispielsweise Ordner. Bei Demonstrationen, die aus Sicht der Behörden eine »Gefahr für die öffentliche Sicherheit« darstellen, müssten diese künftig Namen und Geburtsdaten hinterlassen, die dann für bis zu zwei Jahre gespeichert werden könnten. Das könne jährlich Hunderte Demonstrationen und Tausende Ordner betreffen, schätzt Nagel. Das schrecke ab und sei »geeignet, Versammlungen zu erschweren, zu verzögern oder zu vereiteln«.

Weitere Neuregelungen sehen vor, dass Personen durch die Behörden zu Veranstaltern erklärt werden können, nur weil sie etwa im Internet oder auf Flyern zur Teilnahme an einer Demonstration aufgerufen haben. Grotesk mutet die Festlegung an, dass kurzfristig geplante Versammlungen zwar weiterhin mit 48 Stunden Vorlauf angezeigt werden müssen, dabei aber Wochenenden und Feiertage nicht mehr mitgerechnet werden. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie kritisiert, Versammlungsfreiheit »aus Gründen des ›Behördenalltags‹ einzuschränken«, sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Koalitionspolitiker Lippmann stellt andere Aspekte in den Vordergrund. So werde man eine früher beschlossene Einschränkung des Versammlungsrechts an bestimmten Tagen und Orten »wieder tilgen«. Sie war 2010 von CDU und FDP vorgenommen worden und wurde wegen ihres Anlasses, der regelmäßigen Naziaufmärsche am Jahrestag der Zerstörung Dresdens, als »Lex 13. Februar« bezeichnet. Auch zu Sitzblockaden, wie sie Antifaschisten etwa zu diesem Anlass regelmäßig durchführen und die bisher als Straftaten gelten, gebe es Neuregelungen, betont Lippmann. Die Verpflichtung für die Behörden, diese zu verfolgen, entfalle damit. Nagel erwidert, die Entscheidung, ob friedliche Sitzblockaden erlaubt werden, treffe künftig die Polizei. Sie könnten weiter als strafbar gelten, wenn sie zum Scheitern einer anderen Versammlung führten.

Generell seien die Verbesserungen nur »liberale Feigenblätter«, die überwiegend ohnehin vor Gericht erkämpft worden seien, sagt Zada Salihovic von der Verdi-Jugend, die Teil des Protestbündnisses ist. Dieses fordert die Koalition auf, das Gesetz zu stoppen. Zugleich räumt man ein, dass es angesichts der Kürze der verbleibenden Zeit kaum Möglichkeiten für die »dringend nötige ausführliche Diskussion und das Beheben der gravierenden Probleme« gebe.